Spätestens, wenn der eigene Hund oder die Katze älter wird, stellen sich viele Christen die Frage, ob es für Tiere eigentlich auch ein Leben nach dem Tod gibt. Die Frage lässt sich anhand der Bibel erstaunlich gut beantworten, wenn man bedenkt, wie wenig Beachtung ihr im Laufe der Kirchengeschichte gezollt wurde. Das lag zum Einen sicher daran, dass die christliche Theologie lange Zeit stark von der griechischen Philosophie geprägt war und dem Tier ein substantiell untergeordnetes geistiges Vermögen unterstellt wurde. Die Zurückhaltung lag aber auch daran, dass die Bibel sich an Menschen richtet und den Fokus ganz eindeutig auf die Erlösung des Menschen richtet, so dass die Fragestellung - zumindest für Nicht-Tierbesitzer - vielleicht sogar etwas verwegen klingt. Ich möchte in diesem Essay zeigen, dass das Thema gar nicht so beiläufig in der Bibel auftaucht, wie man im ersten Moment denken könnte und die Stellen die Frage sicher beantworten lassen, wenn auch nur Teile der Frage, aber dazu später mehr.
Tiere als Bundesgenossen
Im Paradies gab es recht wenige Spielregeln: die Menschen sollten fruchtbar sein und sich mehren und über die Tiere herrschen. Interessanterweise gab es aber auch für die Tiere ein Gebot, denn
auch sie sollten sich mehren und Wasser, Luft und Erde bevölkern.
Auch ein Speisegebot gab es: der Mensch sollte Früchte essen (abgesehen von den Früchten eines einzigen Baumes), die Tiere das
grüne Kraut, was bedeutet, dass die Tiere keine Früchte essen durften.
Die Tiere waren also ebenso Teil der Schöpfungs- und Bundesordnung wie der Mensch nur mit anderen Rollen und hatten damit
heilgeschichtlich ähnliche Startbedingungen.
Oft wird darauf hingewiesen, dass nur der Mensch den Hauch Gottes bekam und dadurch zu einem Wesen wurde, das klar von den Tieren unterschieden werden kann und soll. Außerdem sagt Gott ausdrücklich, dass er den Menschen nach seinem Bilde erschaffen hat. Dass die Ebenbildlichkeit Gottes dem Menschen eine Vorrangstellung vor den Tieren einräumt - neben dem ausdrücklichen Gebot, über die Tiere zu herrschen - ist sicher richtig, sie enthält allerdings keinen Exklusivanspruch auf ein ewiges Leben, denn den Tod gab es im Paradies auch für die Tiere noch nicht.
Auch im Sündenfall waren Tiere beteiligt, genau genommen ein Tier: die Schlange! Als sie die Frau fragte, ob sie keine Früchte essen dürften, stellte sie noch nicht das Gebot Gottes an den Menschen in Frage, sondern das Speisegebot, dass die Menschen über die Tiere erhob. Sie fragte also eigentlich: dürft ihr auch - wie wir Tiere - keine Früchte essen? Damit brachte sie die Frau in die Verlegenheit, zu ihrer erhabenen Stellung zu stehen, denn nun musste sie sagen, dass diese Einschränkung nur für die Tiere galt, während sie selbst von den Früchten essen durften. Die Frage zielte damit auf die Grundordnung, die sich allein auf das Wort Gottes gründete. Die Frau musste im Gespräch mit der Schlange zu ihrer Stellung stehen und ihrer von Gott geordneten Vorrangstellung vor allen Tieren. Ihre Übertreibung von Gottes Gebot, die Früchte nicht berühren zu dürfen, verstehe ich als Bemühen, vor der Schlange die eigene Einschränkung betonen zu wollen, als wollte sie sagen „ja, das dürfen wir zwar, aber wir haben es ja auch nicht so leicht und müssen uns an strenge Regeln halten“.
Mit diesem Unwohlsein hatte die Schlange die Grundlage für die entscheidende Frage gelegt, ob man die ganzen Formen der Schöpfungsordnung und damit der Ungleichheit nicht einfach aufgeben und wie Gott werden sollte. Die Frau konnte dies durch die raffinierte Vorarbeit der Schlange nun nicht mehr nur mit der eigenen Rebellion und dem Wunsch nach Größe begründen, sondern auch mit der Abschaffung der Unterordnung der Tiere und mit einem höheren Ziel der Gleichheit und der moralischen Erkenntnis.
Da die Schlange immer sehr stark mit dem Teufel identifiziert wird, übersieht man leicht, dass sie ein Tier war, durch das natürlich der Teufel hier wirkte. Der anschließende Fluch betraf zwar direkt erst mal nur die Schlange - und zwar jede Schlange - er betraf aber in anderer Hinsicht auch die gesamte Schöpfung, die ab diesem Tag ebenfalls der Vergänglichkeit unterworfen war wie der Mensch.
Wer den Bericht von Schöpfung und Fall also unvoreingenommen liest, muss ihn als eine Geschichte des gemeinsamen Bundes von Mensch und Tier mit Gott und den gemeinsamen Sündenfall von Mensch und Tier lesen unter dem dann auch beide, also die gesamte Schöpfung leiden mussten. Es ist daher kein Wunder, wenn auch die Erlösung der Schöpfung in der Bibel ein wichtiges Thema ist.
Wir schauen uns hierzu den nächsten Bundesschluss Gottes an: den Bund mit Noah. Die Geschichte beginnt mit der Begründung für die Rettung:
„Da gedachte Gott an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh“ (Gen 8,1)
Gott hatte also die Rettung der Menschen im Sinn und die Tiere nicht einfach gerettet, damit die Menschen Nahrung haben, sondern weil Gott ausdrücklich auch an sie dachte. Trotzdem trennten sich die Wege zwischen Menschen und Tieren an diesem Tag, denn Gott legte in seinem Bund mit Noah „Furcht und Schrecken“ vor den Menschen auf die Tiere und erlaubte den Menschen, die Tiere zu essen. Dadurch entstand ein ganz neues Verhältnis zwischen Mensch und Tier, ein Bruch, der so tiefgreifend ist, dass man sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier in seiner ursrprünglichen Form heute nur noch schwer vorstellen kann. Die Fremdheit des Tieres und unsere damit einhergehende Neigung, es zu verdinglichen, ist für uns schwer abzulegen.
Und dann gibt es eine für unsere Fragestellung interessante und folgenreiche Einschränkung: der Mensch durfte zwar Tiere essen, aber auf keinen Fall ihr Blut, weil im Blut das Leben ist. Der Mensch konnte darin eine klare Enthüllung Gottes für das Leben nach dem Tod sehen, und das am Beispiel der Tiere! Die Schlachtung eines Tieres war demnach auf eine Weise möglich, durch die sein Leben geschützt würde!
Dieser Gedanke war später ein ganz wichtiger Ausgangspunkt, um die Opfer zu verstehen, in denen der Mensch durch das Blut von Tieren gereinigt werden, bzw. lernen sollte, dass Reinigung nur durch Blut - das Leben eines Anderen - möglich ist. Wichtig ist an dieser Stelle vor allem die Beobachtung, dass Gott das Leben der Tiere über deren irdischen Tod hinaus schützen wollte.
Es folgt der offizielle Bundeschluss, in dem mehrfach und ausdrücklich alle Tiere mit eingeschlossen sind:
„9 Siehe, ich richte mit euch einen Bund auf und mit euren Nachkommen 10 und mit allem lebendigen Getier bei euch, an Vögeln, an Vieh und an allen Tieren auf Erden bei euch, von allem, was aus der Arche gegangen ist, was für Tiere es sind auf Erden. 11 Und ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfort nicht mehr alles Fleisch ausgerottet werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe. 12 Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: 13 Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. 14 Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. 15 Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. 16 Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. 17 Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden.“ (Gen 9, 9-17)
Man kann die Bedeutung des Regenbogens nicht angemessen verstehen, wenn man sie nur als das Versprechen liest, nicht durch eine Sintflut zu sterben. Und ich glaube, intuitiv lesen die meisten Menschen in diese Szene völlig zu Recht auch viel mehr hinein. Warum eigentlich? Es gibt mehrere Ansätze, das zu begründen:
Zunächst kann man sich fragen, was eigentlich der Gewinn für Mensch und Tier wäre, wenn Gott lediglich versprochen hätte, keine Sintflut mehr zu schicken. Das lässt immerhin noch jede andere Todesart zu, einschließlich der Möglichkeit zu ertrinken - nur eben nicht durch eine Sintflut. Noah und seine Familie hätten also absolut nichts von dieser Verheißung gehabt, weil sie alle sterben mussten. Aber auch ihre Nachkommen hätten nichts von der Verheißung. Geht es dann vielleicht darum, durch den Fortbestand der Menschheit die Versorgung im Alter zu sichern? Gott verspricht aber hier gar nicht jedem Menschen Nachkommenschaft. Und die Versorgung im Alter setzt ja einen natürlichen Tod voraus und eben keine Sintflut. Wenn die Flut kommt, ist eine unzureichende Altersversorgung das kleinste Problem der Menschen, und bei Tieren gibt es die Unterstützung der älteren Generation durch die jüngeren ohnehin nur in Ausnahmefällen. Was sollte ihnen dann also die Zusage nützen?
Was an dem Versprechen zusätzlich unbefriedigend wäre, ist die Tatsache, dass Gott ja wenige Monate zuvor noch entschieden hatte, dass es besser ist, wenn es keine Menschen gibt, als dass es Menschen gibt, die so leben, wie vor der Sintflut. Man müsste die Verheißung, wenn man sie auf das negative Versprechen reduziert, als Kapitulation Gottes vor der Bosheit der Menschen lesen. Tatsächlich klingt der Bundesschluss aber nach einer sehr guten Nachricht und jedes Kind freut sich intuitiv über den Ausgang der Geschichte! Um das wirklich verstehen zu können, muss man sich bewusst machen, was die Generationenfolge für die Menschheit bedeutet. Der einzige Hoffnungsschimmer der frühen Menschheit war die Ankündigung des einen Menschen, der der Schlange den Kopf zertreten und den Fluch der gefallenen Welt brechen würde. Mit einer völligen Vernichtung der Menschheit hätte Gott genau diesen Plan aufgegeben, tatsächlich aber verspricht er jetzt, dass er an seinem Plan mit der Menschheit - und der ganzen Schöpfung - festhält. Gott kündigt aber jetzt nicht mehr nur eine ferne Erlösung in der Zukunft an, sondern verbindet sich in einem einseitig geschlossenen und damit unauflösbaren Bund mit seiner Schöpfung. Er schreibt seine Geschichte mit der Gattung Mensch und den Tieren weiter. Aber auch an dem Bundeszeichen selbst, dem Regenbogen, lässt sich einiges ablesen: Wir finden in Off. 4,3 die Beschreibung eines Regenbogens um den Thron Gottes (etwas Ähnliches sieht auch Hesekiel in seiner Vision). Der Bundesschluss greift ja offenbar die Schöpfung des Himmelsgewölbes auf, also die Errichtung einer gewölbten Feste, die den Menschen vor dem Wasser oberhalb des Himmels schützen sollte. Die Sintflut war eine kurzzeitige Rückkehr in das Urchaos und daher wurde der Bundesschluss einschließlich des Segens für Mensch und Tiere zu einer Rückkehr zur alten Ordnung, allerdings mit etwas anderen Speiseregeln. Der Bogen erinnerte Mensch und Tier nämlich nun daran, dass die Schöpfung - mitten im Schlamm und Verderben, das Noah überall um sich herum sehen musste - nicht nur irgendwann in grauer Vorzeit von Gott geschaffen wurde, sondern dass er sie aktiv erhält. Um die Menschen daran zu erinnern, hat Gott ihnen ein Zeichen aus der Herrlichkeit an den Himmel gesetzt, das sie daran erinnern soll, in ihrer Todesangst nach oben zu schauen und an Gottes Herrlichkeit erinnert zu werden. Was soll das anderes bedeuten als die Hoffnung auf das ewige Leben? Wenn es das nicht bedeuten würde, wäre es ein falscher Trost, denn wie gesagt bleibt Mensch und Tier der Tod ja nicht erspart. Und der Trost gilt für alle Menschen und Tiere zu allen Zeiten, eben nicht nur für die Menschen, die zu der Zeit leben, in der der Retter geboren werden sollte. Es war nun keine Ankündigung einer zukünftigen Rettung mehr sondern Gottes Zusage, die Menschen und Tiere auf dem Weg dorthin nicht allein zu lassen.
Man kann also zusammenfassend sagen, dass der Bund Gottes dem Menschen zusichert, dass Gott an seinem Weg mit den Menschen festhält und ihnen seine Herrlichkeit vor Augen stellt, die ihnen einen Trost über alle Schlammwüsten hinweg verschafft, allerdings ein Trost, der diese Erde überspannt und hier noch nicht direkt erreichbar ist. Und nicht ohne Grund steht der Regenbogen auch in der säkularen Rezeption für den Traum an eine Welt, die ganz anders ist als unsere. Aber während er für Nicht-Gläubige zum Symbol der Fantasie und der unerfüllten Träume wird, geht es in dem Bundesschluss um die feste Zusage einer Herrlichkeit, an der die Schöpfung als Bundespartnerin Anteil haben darf.
Aus diesem Grund ist es nicht erstaunlich, dass die Rettung der Menschheit durch die Arche von Petrus als Bild für das Evangelium gesehen werden kann (1. Petr. 3,20). Und ich glaube, genau das ahnt auch jedes Kind, wenn es sich über die Geschichte freut.
Und noch ein weiteres Argument nämlich der Schluss vom Niedrigeren auf das Höhere kann hier angeführt werden: Würde man den Text so verstehen, dass die Tiere in der Sintflut-Erzählung bei der tatsächlichen Errettung keinen Platz hätten, dann würde die eigentlich größere Rettung, nämlich die Erlösung von Sünde und Tod, eine weniger breite Wirkung haben als ihr Vorschatten, die Arche, indem sie nur die Menschheit einschließt. Das Versprechen, das also in der Geschichte von der Sintflut und der wunderbaren Verheißung für Gänsehaut sorgt, würde in der tatsächlichen Rettung überhaupt nicht eingelöst. Und das kann schlicht nicht sein.
Es ist daher nicht erstaunlich, dass Paulus die ganze Schöpfung selbstverständlich in das Erlösungswerk mit einschließt. Im Brief an die Römer schreibt er:
"18 Denn ich bin überzeugt, dass dieser Zeit Leiden nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll. 19 Denn das ängstliche Harren der Kreatur wartet darauf, dass die Kinder Gottes offenbar werden. 20 Die Schöpfung ist ja unterworfen der Vergänglichkeit – ohne ihren Willen, sondern durch den, der sie unterworfen hat –, doch auf Hoffnung; 21 denn auch die Schöpfung wird frei werden von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zu der herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. 22 Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung bis zu diesem Augenblick seufzt und in Wehen liegt." (Rom 8, 18-22)
Wir können also sicher sagen, dass die ganze Schöpfung - und damit selbstverständlich auch die Tiere - in irgendeiner Form an der Rettung und Erlösung der Welt Anteil haben und auch von der Vergänglichkeit befreit sind. Wenn Tiere einfach Sachen wären, könnte es theoretisch auch um eine Erlösung der Gattung handeln aber nicht der einzelnen Lebewesen. Das Seufzen der Schöpfung, von dem Paulus spricht, wäre dann eine Metapher für das allgegenwärtige Leiden der Lebewesen, die aber nicht als Individuen sondern nur in Form ihrer Nachfolgeschöpfung erlöst würden. Es wäre allerdings eine sehr irreführende und unnötige Metapher, wenn es nur darum ginge zu sagen, dass es einen neuen Himmel und eine neue Erde geben würde. Warum muss man dafür den Blick auf das Leiden der Schöpfung lenken, wenn ihr Leid überhaupt nicht gehört wird? Außerdem schließt Gott seinen Bund ausdrücklich mit allen Tieren und ihren Nachkommen, also eben den Tieren, die hier in der gefallenen Welt leben. Auch wenn diese Gedanken eigentlich klar genug zeigen, dass Gott durchaus das Leiden der individuellen Tiere im Blick hat, möchte ich im nächsten Kapitel zeigen, dass Tiere von Gott als Individuen gesehen werden.
Die Tiere als Gegenüber Gottes
Tiere besitzen in der Bibel eine nefesh (der Begriff wird z.B. in 1. Mose 1, gleich mehrfach verwendet), ein Wort das sich im Deutschen behelfsmäßig mit „Seele“ oder „Leben“ übersetzen lässt. In
1. Mose 2,7 wird das nur vom Menschen gesagt, dass Gott ihm den „Odem des Lebens in seine Nase hauchte“.
Aber auch den Tieren gibt und nimmt er den Odem:
„Sie alle warten auf dich, dass du ihnen ihre Speise gibst zu seiner Zeit. 28 Du gibst ihnen: Sie sammeln ein. Du tust deine Hand auf: Sie werden gesättigt mit Gutem. 29 Du verbirgst dein Angesicht: Sie erschrecken. Du nimmst ihren Lebensatem weg: Sie vergehen und werden wieder zu Staub. 30 Du sendest deinen Lebenshauch aus: Sie werden geschaffen; du erneuerst die Flächen des Ackers. 31 Die Herrlichkeit des HERRN sei ewig! Der HERR freue sich seiner Werke!“ Psalm 104, 27
Ob das Anhauchen des Menschen eine andere Qualität hat, lässt sich anhand des Textes nicht erschließen, sehr belastbar ist eine Anthropologie, die sich auf dieses Schweigen stützt aber nicht. Nach Psalm 104 werden alle Tiere durch den Atem Gottes am Leben erhalten, haben einen Lebenswillen, wenden sich an ihn mit dem Wunsch um Nahrung und Schutz und werden von ihm nach seiner Zeit und seinem Ratschluss erhört, weil Gott Freude hat an seinen Werken. In Psalm 36 lobt der David Gott für seine Gnade und Rettung und tröstet sich dabei offenbar mit dem Wissen, dass Gott ja immer wieder gezeigt hat, dass er Mensch und Tier rettet:
„6 HERR, an den Himmel reicht deine Gnade, deine Treue bis zu den Wolken. 7 Deine Gerechtigkeit ist den Bergen Gottes gleich, dein Recht der großen Flut; Menschen und Vieh rettest du, HERR. 8 Wie kostbar ist deine Gnade, Gott, und Menschenkinder bergen sich im Schatten deiner Flügel“
Auch hier geht der Blick wieder an den Himmel, die Wolken, über die Berge… also auf jeden Fall nach oben. Als Lobpreislied vertont würden wir diese Stelle ohne Verrenkungen als Zusage für das ewige Leben verstehen. Sollten wir dann aber die Tiere aus dem Text vorher entfernen? Tiere werden aber nicht nur als biologische Lebewesen mit einem Lebenswillen, einem Sehnen nach der Versorgung durch Gott gesehen sondern können durchaus auch hellsichtig für die Gegenwart Gottes sein, wie die Geschichte mit Bileams Eselin zeigt. Tiere sind aber nicht die besseren Menschen, wie sie in populärwissenschaftlichen Artikeln heute gerne dargestellt werden, sondern können in der Bibel auch unmoralisch handeln. Vor einigen Jahrzehnten wäre dieser Gedanke in unserem Kulturkreis noch mit Hohn aufgenommen worden, mittlerweile hat sich in der Wissenschaft aber längst das Bild vom moralisch handelnden Tier etabliert, wobei die Beispiele dafür durchgängig positiv sind. Also Tiere könnten demnach zwar moralisch gut aber nicht böse handeln. Wieso kann es aber das Eine oder das Andere geben? Die Bibel ist hier nüchterner und kennt durchaus Fälle, in denen Tiere sich gegen Gottes Willen stellen und sogar bestraft werden. Sie dürfen den Berg Sinai nicht betreten, weil sie sonst unter dasselbe Gericht fallen würden wie die Menschen (2. Mose 19, 12-13). Sie werden ebenso wie der Mensch bestraft, wenn es zum Sex zwischen Mensch und Tier kommt:
„Und wenn eine Frau sich irgendeinem Vieh nähert, damit es sie begattet, dann sollst du die Frau und das Vieh umbringen. Sie müssen getötet werden; ihr Blut ist auf ihnen." 3. Mose 20, 16
Sie dürfen Menschen nicht töten, weil Gott sonst ihr Blut von ihnen fordert (Noahbund 1. Mose 9). Die Sintflut kam, weil „Alles Fleisch verdorben“ war, eine Formulierung, die im späteren Noahbund eindeutig auch die Tiere mit einschließt und zuvor auch faktisch den Untergang aller anderen Tiere bedeutete.
Auch spätere Gerichtsworte Gottes können Tiere miteinschließen.
„Und in meinem Eifer, im Feuer meiner Zornglut habe ich geredet: Wenn an jenem Tag nicht ein großes Beben im Land Israel sein wird! 20 Und vor mir werden beben die Fische des Meeres und die Vögel des Himmels und die Tiere des Feldes und alle Kriechtiere, die auf dem Erdboden kriechen, und alle Menschen, die auf der Fläche des Erdbodens sind; und die Berge werden niedergerissen werden, und die Felsstufen werden einstürzen, und jede Mauer wird zu Boden fallen.“ Hesekiel 38, 19
Das setzt voraus, dass die Tiere als Individuen unter dem Gericht Gottes leiden können. Interessant ist auch zubeobachten, dass Gott offenbar mit Tieren kommuniziert (In Jona redet er mit Fisch und Wurm, in 1. Könige 17,4 mit Raben…). Und bei Hiob wird den Tieren sogar die Rolle der geistlichen Lehrer zugewiesen:
„Aber frage doch das Vieh, und es wird es dich lehren, oder die Vögel des Himmels, und sie werden es dir mitteilen, 8 oder rede zu der Erde, und sie wird es dich lehren, und die Fische des Meeres werden es dir erzählen! 9 Wer erkennt nicht an all diesem, dass die Hand des HERRN dies gemacht hat? 10 In seiner Hand ist die Seele alles Lebendigen und der Lebensatem alles menschlichen Fleisches.“ Hiob 12, 7
Dabei scheint es aber wie an anderen Stellen eher darum zu gehen, den Menschen zu beschämen, der seine klarere Offenbarung Gottes nicht beachtet, während die Tiere sich mit ihren eingeschränkten Möglichkeiten Gott mehr gehorchen.
„Aber man sagt nicht: Wo ist Gott, mein Schöpfer, der Lobgesänge gibt in der Nacht, 11 der uns mehr als die Tiere der Erde belehrt und uns weiser macht als die Vögel des Himmels?“ Hiob 35, 10
Gott versorgt seine Tiere individuell.
„Wer stellt dem Raben sein Futter bereit, wenn seine Jungen zu Gott schreien, umherirren ohne Nahrung?" Auf diesen Gedanken greift Jesus zurück, wenn er in Lukas 12 sagt: „24 Betrachtet die Raben, die nicht säen noch ernten, die weder Vorratskammer noch Scheune haben, und Gott ernährt sie. Wie viel seid ihr mehr als die Vögel!“ Hiob 38, 41
„Werden nicht zwei Sperlinge für eine Münze verkauft? Und nicht einer von ihnen wird auf die Erde fallen ohne euren Vater. 30 Bei euch aber sind selbst die Haare des Hauptes alle gezählt. 31 Fürchtet euch nun nicht! Ihr seid wertvoller als viele Sperlinge.“ Mt 10, 29
Sperlinge fallen normalerweise nicht einfach auf die Erde. Ich vermute, dass Jesus hier auf eine Praxis kleiner Jungs aus seiner Zeit anspielte, kleine Vögel als Zielscheiben zu verwenden, ein „Spiel“, das Jesus mit Sicherheit grausam fand und bei dem er sich vermutlich oft damit getröstet hatte, dass sein himmlischer Vater das sieht und keinen dieser kleinen Vögel vergisst. Interessant sind für unsere Fragestellung zwei Beobachtungen: die Verheißung, dass Gott auch noch irgendwie bei den getöteten Spatzen ist, muss wieder eine Verheißung sein, die über den Tod hinaus geht. Die zweite Beobachtung bezieht sich auf die einzelnen Spatzen, denn Jesus betont hier gerade, dass kein einziger Spatz davon ausgenommen ist!
Und doch muss man auch genau so klar festhalten, dass der Mensch vor Gott wertvoller ist als die Spatzen. In Psalm 145 lobt David Gott als den Versorger allen Lebens:
10 „Es werden dich loben, HERR, alle deine Werke und deine Getreuen dich preisen. 11 Sie werden sprechen von der Herrlichkeit deines Reiches, sie werden reden von deiner Kraft, 12 um den Menschenkindern kundzutun deine Machttaten und die prachtvolle Herrlichkeit deines Reiches. 13 Dein Reich ist ein Reich aller Zeiten, deine Herrschaft dauert durch alle Generationen hindurch. 14 Der HERR stützt alle Fallenden, er richtet auf alle Niedergebeugten. 15 Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit. 16 Du tust deine Hand auf und sättigst alles Lebendige nach Wohlgefallen.“
Die Szene beschreibt beide Seiten: die Tiere wenden sich an Gott (sofern man sie unter den sehr allgemeinen Begriff „alles Lebendige“, also alles, was eine nefesh hat, fasst) und Gott reagiert auf ihr Bitten. Dasselbe Thema aber im Rahmen einer Gerichtsankündigung und dramatischer wird in Joel beschrieben:
„Wie stöhnt das Vieh! Die Rinderherden sind bestürzt, weil sie keine Weide haben; auch die Schafherden büßen. 19 Zu dir, HERR, rufe ich; denn ein Feuer hat die Weideplätze der Steppe verzehrt und eine Flamme alle Bäume des Feldes versengt. 20 Auch die Tiere des Feldes schreien lechzend zu dir; denn vertrocknet sind die Wasserbäche, und ein Feuer hat die Weideplätze der Steppe verzehrt.“ Joel 1,18
„Fürchtet euch nicht, ihr Tiere des Feldes! Denn es grünen die Weideplätze der Steppe. Denn der Baum trägt seine Frucht, der Feigenbaum und der Weinstock geben ihren Ertrag" Joel 2,22
In diesem zweiten Zitat sowie in dem folgenden aus Jesaja geht es vordergründig um das Ende des Gerichtes, letztlich aber um das neue messianische Friedensreich, in dem diese Zustände erst verwirklicht werden.
„Die Tiere des Feldes werden mich ehren, Schakale und Strauße, weil ich in der Wüste Wasser gegeben habe, Ströme in der Einöde, um mein Volk zu tränken, mein auserwähltes.“ Jes 43, 20
Gibt es ein Evangelium für Tiere?
Man kann also deutlich zeigen, dass Tiere in der Bibel empfindende Wesen sind, die ein persönliches Verhältnis zu Gott haben können, die gehorchen oder nicht gehorchen, unter den Fluch
miteingeschlossen sind und auch an der Erlösung Anteil haben werden. Wir sehen, dass Tiere zu Gott rufen und er mit ihnen spricht, dass Tiere Gott am Herzen liegen und ihm das Leid der Tiere
etwas ausmacht.
Welche Tiere aber im Einzelnen welches Schicksal nach dem Tod haben, ist allerdings nicht so deutlich zu sagen so dass wir auf indirekte Beobachtungen angewiesen sind.
So ist z.B. ein durchgängiges Motiv zu beobachten, dass Tiere mit ganz wenigen Ausnahmen (Bileams Esel, den Gott verschont hätte, wenn er Bileam geschlagen hätte) immer Schicksalsgenossen der Menschen sind: Sie werden mit dem Menschen um das ewige Leben im Paradies gebracht, sie sterben fast alle mit den Menschen in der Sintflut und nur die kleine Gruppe bei Noah wird gerettet. Wenn eine Stadt unter den Bann fällt, müssen auch die Tiere sterben, und Gott hätte auch in Ninive selbstverständlich die Tiere mit getötet, wenn die Menschen keine Buße getan hätten.
Man ist also geneigt zu überlegen, ob das vielleicht auch für die Errettung im Jenseits gilt, also dass Tiere, die unter der Obhut von Gläubigen stehen, mit diesen gerettet werden und Gott für die Tiere, die nicht unter menschlicher Obhut stehen seinen eigenen Weg hat. Dann stellt sich allerdings die Frage, wie es möglich ist, dass Tiere individuell schuldig werden können aber trotzdem in Abhängigkeit ihrer Menschen gerichtet werden, eine Frage, die so interessanterweise aber auf alle Bundesgenossen zutrifft, die einerseits unter den Bundesverheißungen stehen aber trotzdem aus dem Bund herausfallen oder als Fremde in ihn eintreten können. Und insbesondere wenn es um Säuglinge geht, ist die Frage letztlich ähnlich schwer zu beantworten, und auch im Fall der Tiere schweigt die Bibel, wenn es um konkrete Kennzeichen der Rettung geht.
Wir können am Ende also sagen, dass es eine deutliche Jenseitshoffnung für die Tiere gibt, finden aber keinen Heilsweg für sie beschrieben. Vor diesem Hintergrund sehe ich aber für einen Christen, der sein geliebtes Haustier verloren hat, viel Grund zur Hoffnung, dass sein Tier tatsächlich gerettet sein könnte.