Warum halten Christen eigentlich nicht den Sabbat? Und welche Rolle kommt in dem Zusammenhang dem Sonntag zu? Hat sich der freie Tag einfach um einen Wochentag verschoben oder ist der Sonntag
etwas ganz anderes? Diese Fragen werden nicht nur in den verschiedenen Konfessionen sondern auch regional sehr unterschiedlich beantwortet, denn während im angelsächsischen Raum die Sonntagsruhe
unter Christen recht streng ausgelegt und -gelebt wird, spielt sie in Deutschland eher eine untergeordnete Rolle, während sie im Recht wiederum gerade in Deutschland relativ gut geschützt
ist.
Das Thema spielt sowohl im Alten als auch im Neuen Testament eine wichtige Rolle und wird von Jesus und Paulus mehrfach explizit angesprochen, so dass man eigentlich davon ausgehen könnte, dass
alles klar ist. Aber ganz so einfach ist es nicht.
Das Sabbatgebot hat seine Wurzeln im Schöpfungsbericht. Hier ist es aber eigentlich noch gar nicht als Verbot formuliert. In 1. Mose 2 heißt es lediglich
„2 Da brachte Gott am siebten Tage sein Werk, das er geschaffen hatte, zur Vollendung und ruhte am siebten Tage von aller seiner Arbeit, die er vollbracht hatte. 3 Und Gott segnete den siebten
Tag und heiligte ihn; denn an ihm hat Gott von seinem ganzen Schöpfungswerk und seiner Arbeit geruht.“
Für Gott war das Schöpfungswerk damit tatsächlich zu Ende. Für den Menschen blieb die Arbeit aber bestehen, d.h. er musste etwas dafür tun, um leben zu können. Der siebte Tag erinnerte ihn nun
daran, dass es einmal eine Zeit „danach“ geben würde, eine Zeit, in der der Mensch befreit sein würde von solchen Zusammenhängen, und gleichzeitig bot dieser besondere Tag dem Menschen aber die
Möglichkeit, schon hier an der Ruhe Gottes teilzunehmen. Dafür musste der Mensch allerdings ein Opfer bringen: seine Zeit, und zwar einen ganzen Arbeitstag, an dem er sonst durchaus etwas
erwirtschaften könnte. Diese Zeit, die er Gott gab, erinnerte ihn wiederum daran, dass Gott alles geschaffen hatte und ihm daher auch alles gehörte und der Mensch Gott Dank und Verehrung und
nicht zuletzt Gehorsam schuldig ist, es war also nicht nur ein Ruhetag sondern ein Tag, der das Leben des Menschen in eine neue Perspektive rückte, denn er machte aus der Lebenswelt des Menschen
das Schöpfungswerk Gottes.
Genau diesen Gedanken nimmt auch Psalm 95 auf. In der Menge-Übersetzung heißt es dort:
1 Kommt, laßt uns dem HERRN zujubeln, jauchzen dem Felsen unsers Heils! 2 Laßt uns mit Dank vor sein Angesicht treten, mit Liedern ihm jauchzen! 3 Denn ein großer Gott ist der HERR und ein großer
König über alle Götter, 4 er, in dessen Hand die Tiefen der Erde sind und dem auch die Gipfel der Berge gehören; 5 er, dem das Meer gehört: er hat’s ja geschaffen, und das Festland: seine Hände
haben’s gebildet. 6 Kommt, laßt uns anbeten und niederfallen, die Knie beugen vor dem HERRN, unserm Schöpfer! 7 Denn er ist unser Gott, und wir das Volk seiner Weide, die Herde seiner Hand.
Möchtet ihr heute doch hören auf seine Stimme: 8 »Verstockt nicht euer Herz wie bei Meriba, wie am Tage von Massa in der Wüste (2.Mose 17,1-7), 9 woselbst eure Väter mich versuchten, mich
prüften, obwohl sie doch sahen mein Tun. 10 Vierzig Jahre hegte ich Abscheu gegen dieses Geschlecht, und sagte: ›Sie sind ein Volk mit irrendem Herzen‹; sie aber wollten von meinen Wegen nichts
wissen. 11 So schwur ich denn in meinem Zorn: ›Sie sollen nicht eingehn in meine Ruhstatt!‹« (4.Mose 14,23)
Weil Gott die Welt geschaffen hat, ist der Mensch von seiner Versorgung abhängig und schuldet ihm Gehorsam, und nur dann steht ihm die Verheißung offen, einmal zur Ruhe Gottes zu kommen. In
dieser kurzen Formel hängen Schöpfung, Ruhe und Gehorsam zusammen.
Das Zeitopfer, das mit dem Ruhetag verbunden war, sollte also eigentlich den Menschen auch unter der Woche daran erinnern, dass Gott es eigentlich ist, der ihn versorgt und dem er Dank, Verehrung
und Gehorsam schuldet.
Erst im Sinai-Bund wurde der Sabbat dann unter Androhung der Todesstrafe mit einem Arbeitsverbot belegt. Was ist passiert? Offenbar muss der Sündenfall hier eine Rolle gespielt haben, aber
überraschenderweise hatte er neben zahllosen anderen negativen Effekten auch den, dass die Menschen nicht mehr zur Ruhe kommen wollten, und zwar um keinen Preis! Erst unter Androhung der
Todesstrafe ließen sie sich widerwillige bremsen.
Solange das Verhältnis zwischen Gott und Mensch ungetrübt war, konnte dieser Tag für den Menschen ein Grund zum Feiern sein, aber genau dieses Verhältnis wurde durch den Sündenfall gestört. Nun
war der Mensch zu einem Leben im Vorschatten des Todes verurteilt und wollte weder an Gott noch an seinen eigenen Tod denken. Der Gedanke an die Abhängigkeit von Gott war für ihn nun ebenso
schwer zu ertragen wie der Gedanke, dass sein ganzes Lebenswerk endlich sein sollte. Der Ruhetag zwang ihn aber trotzdem, den Blick nicht nur zu Gott zu erheben, vor dem er jetzt Angst hatte,
sondern er erinnerte ihn nun auch daran, dass seine Arbeit nicht das letzte Wort hat, nicht nur, weil seine Kraft offenbar begrenzt ist und zu Ende geht, sondern es eine Zeit danach geben würde,
eine Zeit nach seiner Arbeit, eine Zeit, für die er keine Vorsorge treffen kann und in die seine Schaffenskraft nicht hineinreicht.
Der Ruhetag und jede ruhige Minute wurden für den gefallenen Menschen zum Mahnmal für das Lebensende. Die Ruhe erinnert den Menschen an seine Schwachheit und Endlichkeit und im besten Fall macht
sie ihm die Abhängigkeit von seinem Schöpfer bewusst.
Es ist daher kein Wunder, dass der gefallene Mensch die Ruhe hasst und nur mit den schärfsten Strafen zur Ruhe gezwungen werden konnte.
In dem Zusammenhang ist es interessant zu sehen, wie Jesus auf Marthas Vorwurf an ihre Schwester Maria reagiert. Martha stellte sich als Opfer der Umstände und insbesondere ihrer arbeitsscheuen
Schwester dar, während Jesus davon spricht, dass sie eine Entscheidung getroffen hat. In Lk 10, 41 antwortet Jesus ihr auf ihre Klage: „Marta, Marta! Du bist besorgt und beunruhigt um viele
Dinge;
42 eins aber ist nötig. Maria aber hat das gute Teil erwählt, das nicht von ihr genommen werden wird.“
Martha wollte interessanterweise nicht, dass ihre Schwester sie ablöst, damit auch sie Jesus zuhören kann, sondern, dass ihre Schwester ihr zu Hand geht. Offenbar kann es auch Menschen, die
eigentlich an das ewige Leben glauben, passieren, dass sie den Gedanken daran lieber verdrängen und die aufmerksamkeitsheischende Arbeit über die Hoffnung auf das ewige Leben stellen. Denn bei
allem Stress können sie auf diese Weise wenigstens für einen Moment den Gedanken an den Tod vermeiden, der mit dieser Hoffnung eben verbunden ist.
Aber auch nach dem Sündenfall behielt der siebte Tag seinen Verheißungscharakter, denn der Mensch sollte seinen Blick eigentlich nicht auf sein Lebensende sondern darüber hinaus werfen. Gott
wollte dem Menschen etwas Gutes in Aussicht stellen und ihm eine Ruhe aufheben.
Wie man an dem ersten Ruhetag sehen kann, brachte Gott den Menschen in ein Gleichgewicht aus Arbeit und Ruhe, Eigenwirksamkeit und Abhängigkeit, Werk und Gnade, Schaffen und Empfangen. Dabei ist
„Gleichgewicht“ nicht der richtige Ausdruck, denn es waren zwei Ebenen, die immer zusammen gedacht werden mussten, so dass der Mensch mitten in seiner Anstrengung dankbar für Gottes Wirken sein
konnte. Beides schließt sich nicht aus.
Die Ruhe, die nach dem Sündenfall für den Menschen übrig blieb, war nun eine mehrschichtige: erstens bedeutete sie nach wie vor eine Hoffnung, die über das Leben hier auf der Erde hinaus ging und
ihn von seiner schon in der Schöpfung angelegten Abhängigkeit von seiner Arbeit einmal befreien würde.
Zweitens bedeutete sie nach dem Sündenfall, dass diese Hoffnung möglich ist, weil Gott ein Friedensangebot bereit hält und von seinem Plan, die Menschen in seine Ruhe zu bringen, nicht abgewichen
ist. In diesem Sinne wird die Ruhe im Neuen Testament gedeutet.
Drittens bedeutete es für Israel aber auch ganz konkret, in das verheißene Land zu kommen, was als Vorschatten der späteren Erfüllungs-Schichten angesehen wurde.
Was hat sich daran im Neuen Testament geändert?
Mit dem Tod und der Auferstehung von Jesus wurde zunächst der alte Bund zwischen Gott und seinem Volk durch den Tod des Vertragspartners aufgehoben. Damit sind wir keine Vertragspartner des alten
Bundes mehr und grundsätzlich an keine von dessen Vorschriften mehr gebunden - einschließlich der Regelungen über den Sabbat.
Die älteren Bünde waren davon aber nicht betroffen, weil sie mit Noah, Abraham und David in Persona und von vornherein über den Tod der Vertragspartner hinaus geschlossen wurden. Gott hätte ihnen
hier auf der Erde also im Nachhinein keinen neuen Bund anbieten können.
Deswegen gilt das Versprechen Gottes immer noch, dass er keine Sintflut mehr schickt, dass Abraham Vater vieler Völker wird (das hat sich gerade im Neuen Bund bewahrheitet!) und der Sohn Davids
für alle Zeit auf dem Thron sitzen wird.
Ist der Sabbat damit einfach vom Tisch? Ganz so einfach ist es mal wieder nicht, denn die Gebote wurden von dem Gott gegeben, der heute noch lebt und der sich nicht verändert hat. Auch wenn wir
also keine direkten Vertragspartner des Sinai-Bundes mehr sind, bleiben die Gebote - und zwar ausnahmslos alle! - Ausdrücke des Wesens und Willens Gottes, und wir sehen nicht nur, für wie wichtig
er die Hoffnung für die Menschen nimmt, einmal in seine Ruhe einzugehen. Wir sehen auch, dass über den Sinai-Bund hinaus die viel ältere Bestimmung des Ruhetages in Geltung bleibt. Dort ist zwar
kein bestimmter Wochentag benannt, aber der siebte Tag stand unter Gottes besonderem Segen und er hat ihn für sich geheiligt und damit vom Alltag abgesondert. Daran hat sich mit dem neuen Bund
nichts geändert.
Wir können also sagen, dass der Sabbat mit seinen konkreten Vorschriften aufgehoben ist, die ältere und ihm zugrunde liegende Verheißung bleibt aber bestehen.
Das könnte man als die „juristische“ Ebene des Sabbatgebotes bezeichnen. Es gibt dabei aber natürlich auch eine heilsgeschichtliche Ebene. Jesus nennt sich selbst den „Herrn des Sabbats“ und
stellt sich damit genau an die Position, wo die Menschen von Anfang an den Grund für die verheißene Ruhe erwartet hatten. Er ist derjenige, der Israel letztlich ins verheißene Land gebracht hat,
der die Menschen mit Gott versöhnt hat und ihnen am Ende aller Zeiten die ewige Ruhe geben wird, in ihm haben wir also tatsächlich bereits Zugang zu der Ruhe Gottes.
Trotzdem bleibt natürlich die letzte Ruhe noch Zukunftsmusik. Deswegen heißt es in Hebr 4:
„1 Da nun die Verheißung des Eingehens in seine Ruhe noch unerfüllt geblieben ist, so wollen wir ängstlich darauf bedacht sein, daß es sich bei keinem von euch herausstelle, er sei
zurückgeblieben. 2 Denn die Heilsbotschaft ist an uns ebensogut ergangen wie an jene; aber jenen hat das Wort, das sie zu hören bekamen, nichts genützt, weil es bei den Hörern nicht mit dem
Glauben vereinigt war. 3 Wir dagegen, die wir zum Glauben gekommen sind, gehen in die Ruhe ein, wie er gesagt hat (Ps 95,11): »So daß ich in meinem Zorn schwur: ›Sie sollen nimmermehr in meine
Ruhe eingehen!‹« – wiewohl doch das Wirken (Gottes) seit der Vollendung der Weltschöpfung zum Abschluß gekommen war. 4 Er hat sich ja an einer Stelle über den siebten Tag so ausgesprochen (1.Mose
2,2): »Gott ruhte am siebten Tage von allen seinen Werken«; 5 an anderer Stelle dagegen heißt es (Ps 95,11): »Sie sollen nimmermehr in meine Ruhe eingehen!« 6 Da also das Eingehen einiger in die
Ruhe bestehen bleibt, andrerseits die, welche zuerst die beglückende Botschaft empfangen haben, infolge (ihres) Ungehorsams nicht hineingelangt sind, 7 so setzt (Gott) aufs neue einen Tag fest,
ein »Heute«, indem er nach so langer Zeit durch David, wie schon vorhin (3,7) gesagt worden ist, verkündigt: »Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht!« 8 Denn wenn Josua
sie wirklich in die Ruhe eingeführt hätte, so würde (Gott) nicht von einem anderen, späteren Tage reden. 9 Somit bleibt dem Volk Gottes eine Sabbatruhe noch vorbehalten; 10 denn wer in seine Ruhe
eingegangen ist, der ist damit auch seinerseits zur Ruhe von seinen Werken gelangt, geradeso wie Gott von den seinigen. 11 So wollen wir also eifrig darauf bedacht sein, in jene Ruhe einzugehen,
damit keiner zu Fall kommt und dadurch das gleiche warnende Beispiel des Ungehorsams darbiete. 12 Denn lebendig ist das Wort Gottes und wirkungskräftig und schärfer als jedes zweischneidige
Schwert: es dringt hindurch, bis es Seele und Geist, Gelenke und Mark scheidet, und ist ein Richter über die Regungen und Gedanken des Herzens; 13 und es gibt nichts Geschaffenes, das sich vor
ihm verbergen könnte, nein, alles liegt entblößt und aufgedeckt vor den Augen dessen, dem wir Rechenschaft abzulegen haben.“
Interessant ist in diesem Abschnitt das Nebeneinander von schon vollendeter und noch ausstehender Ruhe: Gott hat von seinen Werken geruht, aber die Menschen noch nicht. Und wir sind zur Ruhe von
unseren Werken gekommen aber irgendwie steht natürlich auch für uns noch eine Ruhe aus.
Trotzdem ist das Lebensgefühl für den Christen schon von der Ruhe bestimmt.
Und sooft Jesus zwar gegen die falsche Auslegung des Sabbatgebotes argumentiert und seine Herrschaft über den Sabbat betont hat, ging es ihm nicht um die Abschaffung der Ruhe sondern um ihren
Beginn, der im siebten Tag und später im Sabbatgebot angekündigt wurde.
In Mt 11 und 12 liest man am besten über die Kapitelgrenze hinweg:
Kapitel 11, 28 »Kommt her zu mir alle, die ihr niedergedrückt und belastet seid: ich will euch Ruhe schaffen! 29 Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen
demütig: so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen (Jer 6,16); 30 denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.«
Kapitel 12, 1 „Zu jener Zeit wanderte Jesus an einem Sabbat durch die Kornfelder; seine Jünger aber hatten Hunger und begannen daher, Ähren abzupflücken und (die Körner) zu essen. 2 Als die
Pharisäer das wahrnahmen, sagten sie zu ihm: »Sieh doch! Deine Jünger tun da etwas, was man am Sabbat nicht tun darf!« 3 Da antwortete er ihnen: »Habt ihr nicht gelesen (1.Sam 21,2-7), was David
getan hat, als ihn samt seinen Begleitern hungerte? 4 Wie er da ins Gotteshaus hineinging und sie die Schaubrote aßen, die doch er und seine Begleiter nicht essen durften, sondern nur die
Priester? 5 Oder habt ihr im Gesetz nicht gelesen (4.Mose 28,9), daß am Sabbat die Priester im Tempel den Sabbat entheiligen und sich dadurch doch nicht versündigen? 6 Ich sage euch aber: Hier
steht Größeres als der Tempel! 7 Wenn ihr aber erkannt hättet, was das Wort besagt (Hos 6,6): ›An Barmherzigkeit habe ich Wohlgefallen und nicht an Schlachtopfern‹, so hättet ihr die Unschuldigen
nicht verurteilt; 8 denn der Menschensohn ist Herr über den Sabbat.« 9 Er ging dann von dort weiter und kam in ihre Synagoge. 10 Da war ein Mann, der einen gelähmten Arm hatte; und sie richteten
die Frage an ihn: »Darf man am Sabbat heilen?« – sie wollten nämlich einen Grund zu einer Anklage gegen ihn haben. 11 Er aber antwortete ihnen: »Wo wäre jemand unter euch, der ein einziges Schaf
besitzt und, wenn dieses ihm am Sabbat in eine Grube fällt, es nicht ergriffe und herauszöge? 12 Wieviel wertvoller ist nun aber ein Mensch als ein Schaf! Also darf man am Sabbat Gutes tun.« 13
Hierauf sagte er zu dem Manne: »Strecke deinen Arm aus!«
Der Abschnitt, in dem Jesus sich über die traditionelle Sabbat-Auslegung hinweg setzt, folgt unmittelbar auf das Versprechen, bei ihm Ruhe zu finden für die Seele. Dafür müssen wir aber von ihm
lernen, „sanftmütig und von Herzen demütig“ zu sein. Entspricht das aber nicht genau der Haltung, die der Mensch eigentlich schon nach dem Ruhetag Gottes nach der Schöpfung lernen sollte? Ruhe
und Demut hängen offenbar auch zusammen.
Und erst wenn der Mensch Gott als den Schöpfer lobt und ihm für seine Versorgung dankt, kann er nicht nur im Geist zur Ruhe kommen sondern verliert auch die Angst vor der äußeren Ruhe wie Pausen
und nicht zuletzt einem Ruhetag. Insofern können wir mit dem Schreiber des Hebräerbriefs davon sprechen, dass wir in gewisser Weise bereits in seine Ruhe eingegangen sind.
Was bedeutet das jetzt für den Sonntag? Erst mal gar nichts! Der Sabbat ist außer Kraft und Paulus warnt eindringlich davor, irgendwelche Feiertagsgebote zum christlichen Kernbestand zu
erheben.
Kol 2,16 „Darum soll niemand um Speisen und Getränke willen oder in bezug auf Fest- oder Neumondsfeier oder Sabbate absprechende Urteile über euch abgeben; 17 diese Dinge sind ja doch nur der
Schatten von dem in der Zukunft Kommenden; das leibhaftige Wesen dagegen gehört Christus an.“
Alles, was wir über den Sonntag sagen können, ist, dass er für die ersten Christen der Tag war, an dem sie sich versammelt hatten. Wir haben es also mit einer Tradition zu tun, die sich bereits
im Neuen Testament und bis zur Zeit der Apostel zurückverfolgen lässt aber mit keinen Ge- oder Verboten belegt wurde. Tatsächlich wird der Tag für die meisten Christen auch kein Ruhetag gewesen
sein, weil ihr gesellschaftliches Umfeld das wohl nur in Ausnahmen ermöglicht hätte.
Wir finden allerdings in Heb 10,25 die Aufforderung, die „Zusammenkünfte“ nicht zu verlassen. Auch wenn die Gemeinde nicht an einen bestimmten Wochentag gebunden ist, bleibt die Gemeinschaft
eines ihrer Kernmerkmale (Apg 2,42; Mt 18,20).
Wie die genaue Ausgestaltung dieses Ruhetages aussehen sollte, wird im Neuen Testament nicht behandelt. Sollten Christen Bäckereien am Sonntag meiden? Wie sieht es mit Sport oder kulturellen
Veranstaltungen aus? Oder Reisen, die ja eine ganze Industrie am Sonntag beschäftigen? Alles, was wir dazu finden, sind ein paar Grundgedanken im Alten Testament. Gott hatte bei der Ausgestaltung
des Sabbatgebotes nicht nur die verheißene Ruhe im Sinne sondern hat sie auch als Schutz für die Schwachen angeordnet, also die Sklaven, den Fremdling und sogar die Tiere! Dass das Sabbatgebot
für uns kein verbindlicher Vertragstext mehr ist, bedeutet ja wie gesagt nicht, dass z.B. Gottes Sorge um die Schwachen auf einmal kein Thema mehr ist. Aber wie sieht es aus, wenn in unserem
Arbeitsrecht statt des Sonntags ein anderer freier Tag für die Arbeitnehmer verpflichtend ist? Würden manche Berufe vielleicht gar nicht mehr ohne den Sonntag existieren und für manche
Arbeitnehmer mehr Probleme geschaffen als gelöst werden? Wie geht man dann aber als Gemeinde damit um, dass es schwierig wird, alle Mitglieder zu einer bestimmten Zeit zum Gottesdienst zu
versammeln?
Es bleiben also viele Fragen, die ich an dieser Stelle gar nicht näher behandeln möchte, weil es gut ist, sie von der allgemeinen Frage, welchen Status der Sonntag im Neuen Testament hat, sauber
zu trennen. Wir haben die Freiheit, den Sonntag in Liebe und in dem Bewusstsein der Bedeutung des siebten Tages als Gottes Ruhetag zu gestalten und sollten uns ebenso vor leichtfertiger Anpassung
an unser Umfeld hüten wie vor einer vorschnellen Übertragung des Sabbatgebotes an unsere Zeit.
Der Sonntag ist kein verpflichtender Ruhetag. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass wir in einer Zeit leben, in der wir zwar im Geist aber noch nicht in unserem äußeren Leben an der vollen Ruhe
Gottes teilhaben, und deswegen bleibt es für uns ein Gebot der Klugheit - wenn auch kein Gesetz - wenn wir uns nicht selbst überschätzen und den siebten Tag als Ruhetag aus genau den Gründen
festhalten, aus denen Gott ihn uns ursprünglich gegeben hatte und damit nicht nur Gott ehren (weil es sein Tag ist, den er sich geheiligt hat) sondern an dem wir uns wieder zurecht bringen
lassen. Auf so einer Ruhe wird Segen liegen und Gott wird uns geben, was wir zum Leben brauchen. In diesem Leben und darüber hinaus.